Katzen sind soziale Tiere und KEINE Einzelgänger

Hier können Katzen Anfänger ihre Fragen stellen und sich informieren ob sie mit ein oder zwei Katzen zusammen leben wollen.
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elmo
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Katzen sind soziale Tiere und KEINE Einzelgänger

#1

Beitrag von elmo » Mi 18. Jul 2012, 19:24

Hallo,

dies ist zusammengestellt aus einem Beitrag, den ich einst in einem andern Forum geschrieben habe, er ist zwar schon etwas länger aber ich finde das nach wie vor einen sehr wichtigen Aspekt der Katzenhaltung. Daher dachte ich mal, hier könnte er auch einen Platz finden.

Ich habe einmal eine sehr schöne Arbeit gelesen in der die neuen Erkenntnisse zur sozialen Organisation von Katzen beschrieben wurden. Da ich sie sehr wichtig finde habe ich Teile davon übersetzt und stelle sie hier für alle ein.

Die Arbeit heisst:

Social organization in the cat: a modern understanding; Journal of Feline Medicine and Surgery (S.L. Crowell-Davis et al. 2004; 6, 19-28

und man kann sie in der Zwischenzeit kostenlos hier in Gänze nachlesen:
http://zoopsy.free.fr/veille_biblio/soc ... t_2004.pdf

Und hier die Ausschnitte:
...In the past two and a half decades, an increasing body of research conducted by various scientists throughout the world has made it clear that, while the feral and free-living domestic cat, Felis catus, can survive in the solitary state when food resources are so widely distributed as to be unable to
support a group, social groups that have internal structure, and in which group members recognize each other and engage in a variety of social behaviors, are formed whenever there are sufficient food resources to support a group [...] In other words, they are a social species. ...
(...In den letzten zweieinhalb Jahrzehnten wurden weltweit von verschiedenen Wissenschaftlern in größerem Ausmaß Forschungen durchgeführt. Es wurde nachgewiesen, dass verwilderte und frei lebende Hauskatzen, Felis catus, zwar als Einzeltiere überleben können wenn die Futterressourcen zu dünn gestreut sind um eine Gruppe zu versorgen. Wann immer aber genügend Futter vorhanden ist, um eine Gruppe zu bilden, werden soziale Gruppen gebildet, in denen die Mitglieder einander erkennen und mit einer Vielzahl von sozialien Verhaltensweisen beschäftigt sind. [...] Mit anderen Worten, sie sind eine soziale Spezies. ...)
...Social species are born with the capacity to learn species-specific social skills, but they are not born with the specific skills. In cats, as with humans,
dogs, horses and other social species, appropriate experience with their own species is critical to the development of appropriate species-typical social behavior. Cats that are adopted as kittens and subsequently kept in a one-cat household for several months or years miss important learning and social bonding experiences that happen during late kittenhood and the juvenile period. While the species as a whole is not asocial, such individual
cats may be, exhibiting a dysfunctional lack of knowledge of how to interact appropriately with their own species....
"...Soziale Spezies werden mit der Möglichkeit geboren spezies-spezifische soziale Fähigkeiten zu lernen, aber sie werden nicht mit diesen spezifischen Fähigkeiten geboren. Bei Katzen, so wie bei Menschen, Hunden, Pferden und anderen sozialen Lebewesen, ist die angemessene Erfahrung mit der eigenen Spezies entscheidend, um angemessenes spezies-typisches Sozialverhalten zu entwickeln. Katzen, die als Kitten aufgenommen werden und anschliessend für mehrere Monate oder Jahre in Ein-Katzen-Haushalten gehalten werden verpassen wichtige Lehren und wichtige Erfahrungen sozialer Bindung während der späten Kindheit [da steht eigentlich "Kittenheit"] und der Jugend. Während also die Spezies an sich nicht asozial ist, können solche Einzelkatzen es sehr wohl sein, da sie ein zu Fehlverhalten führendes Wissensdefizit darin aufweisen, wie sie angemessen mit ihrer eigenen Spezies interagieren sollten. ..."

In diesem Text ist ja sehr schön erklärt warum man junge Katzen nicht alleine halten sollte und wie es kommt, dass es manche erwachsene Katze gibt, die sehr Einzelgängerisch ist.
Als ein Mensch, der ein Kitten einzeln hält muss man WISSEN: Dieses spezielle Tier, für das man verantwortlich ist - das wird DURCH eigenes Fehlverhalten zu lebenslanger Isolation verurteilt. Denn es wird, auch wenn man später im Leben versucht es zu vergesellschaften, fast immer NICHT in der Lage sein mit Artgenossen zu kommunizieren und freundschaftlich umzugehen.

Sowas hier:
[ externes Bild ]

wird es niemals erleben können.

Ich habe auch noch etwas mehr Literatur zu dem Thema zu ergänzen:

Sabine Schroll, "Aller guter Katzen sind..." Seite 70- 71:
...Wann ist eine Katze normal?

Normal ist ein unglücklich gewählter Begriff, denn er bezieht sich auf eine Norm. Normen sind willkürlich festgelegte Kriterien, die auf menschlichen Wertvorstellungen beruhen. Katzen, die sich ausserhalb dieser Norm verhalten, werden dann nach diesen menschlichen Massstäben als "eifersüchtig, "protestierend" oder "herrschsüchtig" beurteilt. Daher ist es sinnvoller, den Begriff "physiologisch" zu verwenden.
Ein Katze verhält sich physiologisch, wenn sie ihr Verhalten, natürlich innerhalb ihrer artspezifischen Möglichkeiten
- an veränderte Gegebenheiten anpassen kann
- lernfähig ist
- sich an neue Katzen gewöhnen kann
Handlungen und Reaktionen - also Verhalten -führen zu einem Gleichgewichtsszustand, und somit Wohlbefinden, zurück.

Wann ist eine Katzen psychisch krank?

Im Gegensatz zur "normalen" Katze wird die psychisch kranke Katze vielfach als "gestört", "abnormal", "boshaft", oder "nicht ganz dicht" bezeichnet.

Es ist wiederum sinnvoller den korrekteren Begriff "pathologisch" zu verwenden.

Katzen die sich pathologisch verhalten,
- können sich nur begrenzt oder gar nicht an veränderte oder neue Umstände anpassen
- lernen nur langsam oder gar nichts Neues
- gewöhnen sich nicht an neue soziale Beziehungen
...

Ich hoffe, ich kann mit diesem Hinweis den einen oder andern Neuling in der Katzenhaltung dazu bringen sich gleich zwei Katzen anzuschaffen.
Menschen, bei denen dies nicht möglich ist (sei es aus finanziellen Gründen oder weil der Vermieter das nicht erlaubt) die haben auch die Alternative sich im Tierheim eine der vielen "Einzelgängerkatzen" zu holen, solche die eben schon so aufgezogen sind, dass sie nicht mehr mit anderen Katzen zusammen leben müssen.

Aber auch für solche Katzen gilt: sie können gut und gerne 25 Jahre alt werden und man sollte, bevor man sich ein solches Tier anschafft sicher sein, dass man bis zum Lebensende dieses Tieres in der Lage sein wird ihm seine Langeweile im Haus zu vertreiben. Also niemals ganztags ausser Haus sein sollte, oder alternativ immer so leben, dass das Tier Freigang haben kann.


Liebe Grüße
Andrea

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Gast 55

Re: Katzen sind soziale Tiere und KEINE Einzelgänger

#2

Beitrag von Gast 55 » Do 19. Jul 2012, 22:59

Hallo Andrea
ich finde das nach wie vor einen sehr wichtigen Aspekt der Katzenhaltung.
Der manchmal unwissentlich vernachlässigt wird.
Aber auch für solche Katzen gilt: sie können gut und gerne 25 Jahre alt werden und man sollte, bevor man sich ein solches Tier anschafft sicher sein, dass man bis zum Lebensende dieses Tieres in der Lage sein wird ihm seine Langeweile im Haus zu vertreiben. Also niemals ganztags ausser Haus sein sollte, oder alternativ immer so leben, dass das Tier Freigang haben kann.
...auch dies sollte man immer vor Augen haben

Danke fürs einstellen und die Übersetzung.

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Tatze64

Re: Katzen sind soziale Tiere und KEINE Einzelgänger

#3

Beitrag von Tatze64 » Mo 30. Jul 2012, 13:02

spannende Zitate, werd ich mich mal näher mit auseinandersetzen
wobei ich skeptisch bin, diese Aussage so pauschal gültig als "Katzen sind keine Einzelgänger" in den Raum zu stellen.
Aus eigener Erfahrung (meine Großeltern hatten 2 Katzenfamilien auf ihrem Bauernhof über Jahrzehnte) kann ich sagen, dass es sehr sehr stark auf die Persönlichkeit des Tiers ankam. Wir hatten in jedem Wurf mindestens eine "Lone Cat" dabei, die genauso integriert aufgewachsen ist, nachher aber die Distanz zu ihrer Familie gesucht hat und lieber allein sich durchgeschlagen hat, und selbst in den Zeiten, in denen sie "daheim" geblieben ist, immer nur sehr kurz zu ihren Verwandten ist. Nicht dass die Streit hatten, alles friedlich, aber die haben's einfach in Gesellschaft nicht ausgehalten.

das nur als Anmerkung
aber spannende Studie allemal

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paulchenPanther

Re: Katzen sind soziale Tiere und KEINE Einzelgänger

#4

Beitrag von paulchenPanther » Mi 1. Aug 2012, 12:27

@Tatze:
meinst du nicht, dass diese uns so vertrauten Verhaltensweisen eben nur von der vielleicht doch falschen Handhabe herrühren? Ich fand das ganze mehr als spannend und denke bei solchen Ergebnissen immer, dass man ja irgendwelche Hinweise dafür haben muss, die offenbar nicht anders zu erklären sind.
Bin mir seitdem viele Gedanken am machen, was meinen zukünftigen Umgang mit Haustieren angeht

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elmo
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Re: Katzen sind soziale Tiere und KEINE Einzelgänger

#5

Beitrag von elmo » Mi 1. Aug 2012, 20:17

Hallo,

das ist eine spannende Frage. Ich glaube, dass das mehrere Gründe haben kann. Einmal- was ist in deinen Augen ein Einzelgänger? Schon ein Tier, das nicht mit anderen Katzen kuschelt und putzt und "sozialliegen" betreibt? Ich hab zum Beispiel eine Kätzin, die ist echt ein "Assi" gegenüber anderen Katzen. Sie würde nie auf die Idee kommen freiwillig mit einer anderen Katze zu schmusen (nun ja, ausser sie ist rollig, aber das zählt ja nicht) und ihre Kitten gibt sie spätestens mit 10-11 Wochen zur Adoption frei. Wenn eine andere Katze ihr zu nahe kommt, dann gibts "kloppe". Aber ich würde sie dennoch nicht als Einzeltier bezeichnen, denn sie interagiert mit anderen Katzen und ich hab häufig genug den Eindruck, dass ihr das irgendwie auch Spass macht, sich mit den anderen anzulegen und sie würde sich hier als Einzeltier mit Sichherheit zu Tode langweilen.

Aber, dann ist noch etwas anderes wichtig: Katzen sind natürlich "Individualisten" wie wir auch, und gleiche "Sozialisierung" macht aus zwei Individuen noch lange nicht die gleiche Katze. Daher halte ich eine weite Bandbreite von individuellem "Nähebedürfnis" auch bei optimal aufgezogenen Katzen für normal.

Noch eine Sache kommt bei Bauernhofkatzen dazu: die Qualität und Quantität der Nahrung während des Aufwachsens (und dazu gehört ganz offensichtlich bereits die Intrauterine Versorgung der Embryonen) stellt mit die Weichen dafür, ob ein Tier später sozialverträglich ist oder nicht. Ist ja eigentlich logisch - in Notzeiten müssen auch Katzen sich möglichst grosse Reviere sichern in denen sie alleine jagen können, in "fetten Zeiten" können sie es sich leisten in grossen Gruppen zusammen herumzugammeln und sich die Zeit zu vertreiben.

Dazu hab ich auch vor langer Zeit (ich denke, das ist schon mehr als nur ein Jahr her) mal eine Studie gelesen, ich könnte, wenn grosses Interesse besteht mal suchen ob ich sie wiederfinden kann - wäre mir das aber nicht so sicher).

Grade bei Bauernhofkatzen kann ich mir gut vorstellen, dass es da sogar in einem Wurf Unterschiede gibt. Ein Kitten dass schon etwas ungünstiger von der Placenta versorgt wurde ist etwas kleiner bei der Geburt, bekommt die mieseste Zitze, kriegt am wenigsten von den mitgebrachten Mäusen ab und so weiter...

Aber - siehe oben - die Anlagen sind natürlich immer sehr weit gefächert, wir als Menschen können nur versuchen die Katzen optimal zu halten und so zu fördern, dasmit sie ein langes glücklches und eben nicht vereinzeltes Leben führen können.

Liebe Grüße
Andrea

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Tatze64

Re: Katzen sind soziale Tiere und KEINE Einzelgänger

#6

Beitrag von Tatze64 » So 5. Aug 2012, 22:46

paulchenPanther hat geschrieben:@Tatze:
meinst du nicht, dass diese uns so vertrauten Verhaltensweisen eben nur von der vielleicht doch falschen Handhabe herrühren? Ich fand das ganze mehr als spannend und denke bei solchen Ergebnissen immer, dass man ja irgendwelche Hinweise dafür haben muss, die offenbar nicht anders zu erklären sind.

ganz ehrlich? nein, das glaub ich nicht, das würde voraussetzen, dass wirklich ALLE Katzenhalter es schaffen, ihre Tiere wirklich total zu prägen, und gerade bei Katzen halte ich das für einen RIESEN Unsinn
aber gut, ist wahrscheinlich auch einfach Ansichtssache
aber ich kann mich mit der Vorstellung nicht anfreunden, sorry

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paulchenPanther

Re: Katzen sind soziale Tiere und KEINE Einzelgänger

#7

Beitrag von paulchenPanther » Mo 6. Aug 2012, 20:55

das hab ich ja mit keinem Wort gesagt, Menschen sind ja kein Hexer, aber ich glaub trotzdem, dass Menschen oft sehr selbstverliebt ihr eigenes im Sinn haben und dann alles sich so auslegen, wie's ihnen in den Kram passt

und reinen Unsinn würd ich erstmal keine Studie nennen, damit könnte ich mich jetzt nicht anfreunden

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